Holocaust-LeugnerInnen

von Paul Wellsow
Magazin »der rechte rand« Ausgabe 138 - September / Oktober 2012

#NeoNazis

Das »Alte Rittergut« im thüringischen Guthmannshausen wird von der extremen Rechten genutzt. Nahezu ungestört hat sich hier ein idealer Treffpunkt für den Verein »Gedächtnisstätte« und die »Schlesische Jugend« entwickelt. GeschichtsrevisionistInnen und Holocaust-LeugnerInnen kommen hier zusammen.

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Schiedewitz im Interview

Seit September 2011 ist das »Alte Rittergut« im thüringischen 900-Seelen-Ort Guthmannshausen Tagungsstätte der extremen Rechten. Mindestens neun Wochenendveranstaltungen fanden seit dem Einzug des Vereins »Gedächtnisstätte e. V.« hier statt. Fünf weitere Tagungen und »Sonnenwendfeiern« sind bereits angekündigt. In seiner »neuen Heimstatt« organisiert der Verein mit Postadresse im niedersächsischen Ramelsloh (Landkreis Harburg) geschichtspolitische Vorträge. Auch die »Schlesische Jugend« (SJ) führt hier ihre »Sonnenwendfeiern« durch. Mit mehr als 1.000 m² Wohn- und Nutzfläche, Schulungs- und Arbeitsräumen, Großküche, Kegelbahn, Sauna und Gästezimmern inmitten eines großen Gartens ist die denkmalgeschützte Immobilie ein idealer Ort für Veranstaltungen.

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Haverbeck beim Prozess gegen den Holocaustleugner Ernst Zündel in Mannheim 2006 © Mark Mühlhaus / attenzione

Schon beim ersten Vortragswochenende am 17. und 18. September 2011 machte der Verein unter seinem Vorsitzenden Klaus-Wolfram Schiedewitz klar, wohin es politisch geht. Als Referentin war Ursula Haverbeck-Wetzel, die »grande dame« der deutschen HolocaustleugnerInnen und frühere Funktionärin des Vereinsgeflechts um das 2008 verbotene neonazistische »Collegium Humanum«, eingeladen. Auch der Autor und Interviewpartner der »Jungen Freiheit« (JF), Referent beim neu-rechten »Institut für Staatspolitik« und Leiter des »Mittelstandsinstitut Niedersachsen e.V.«, Eberhard Hamer, war als Referent angekündigt.

Unter Druck
Kritische Medienberichte, eine Flugblattaktion von AntifaschistInnen in Guthmannshausen, Anfragen der Opposition im Thüringer Landtag zum skandalösen Verkauf des Gebäudes aus Landesbesitz im Mai 2011 an die extreme Rechte (s. drr Nr. 133) sowie die bisher erfolglose Ankündigung des Landes, den Verkauf rückgängig zu machen, setzten die »Gedächtnisstätte« unter Druck. Mit der Verteilung des »Halbjahresprogramm 2012« an die Haushalte in Guthmannshausen ging die Organisation Anfang 2012 in die Offensive. In dem Heft beklagte sich der Vorsitzende, sein Verein solle »in die rechtsradikale Ecke« gedrängt werden.

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Paul Latussek: Bei einer Veranstaltung in Berlin 1998 war er stellv. Bundesvorsitzender der »Bund freier Bürger« und und stellv. Vorsitzender vom »Bund der Vertriebenen«. © Christian Ditsch

Braune Vielfalt
Doch die Veranstaltungen machen den Charakter des Vereins klar. Bei einer Tagung am 25. und 26. Februar 2012 standen die Vorträge »Die Rheinwiesenlager 1945, das Sterben der deutschen Kriegsgefangenen am Rhein« sowie »Die Ausplünderung Deutschlands 1919 – 2010« mit dem Autor des geschichtsrevisionistischen »Grabert Verlags«, Hans Meiser, auf dem Programm. Im März referierte dann der wegen Volksverhetzung verurteilte Paul Latussek, Vorsitzender der Thüringer »Landsmannschaft Schlesien« und Vorsitzender der »Gemeinschaft deutscher Vertriebener«. Im Juni wurde Richard Melisch, Autor von Artikeln in verschiedenen Blättern der extremen Rechten, als Referent angekündigt. Die erste »Wintersonnenwende« der neonazistischen SJ auf dem Gelände fand im Dezember 2011 statt. Im März folgte das »Frühlingsfest« der SJ mit einem Vortrag »Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten« von Heinz Nawratil, der in der neonazistischen Zeitschrift »Zuerst!« und der JF schreibt. Mitte Juni 2012 folgte dann die »Sommersonnenwende« der SJ und die »Einweihung des zentralen Gedenksteins« der »Gedächtnisstätte«. Hier soll nun »eine würdige Gedächtnisstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und in Gefangenenlagern« entstehen – natürlich nur für die »deutschen« Opfer.

Der Verein
Gegründet wurde der Verein »Gedächtnisstätte e.V.« 1992. Mitglied kann nur werden, wer die »deutsche Staatsangehörigkeit« hat. Erste Vorsitzende war Ursula Haverbeck-Wetzel, ihr Stellvertreter wurde Theodor Schmidt-Kaler, ein Mitinitiator des rassistischen »Heidelberger Manifests« von 1981. (Schmidt-Kaler: Informationen bei Wikipedia) Auch weitere Mitglieder des Vorstandes waren einschlägig aktiv, so der mittlerweile verstorbene Bauunternehmer Günther Kissel (s. drr Nr. 49). 2003 gab Haverbeck-Wetzel den Vorsitz ab, zu exponiert war ihr Engagement in der Szene von Holocaust-Leugnern. Neuer Vorsitzender wurde Schiedewitz. Er gehört, so urteilte der Niedersächsische Inlandsgeheimdienst, zu einem »Netzwerk von Holocaustleugnern und Geschichtsrevisionisten, die das nationalsozialistische Deutschland von Schuld reinwaschen« wollen. Seine Kinder ließ er hinter der Reichskriegsflagge marschieren, den »Hitlergruß« üben, Lieder der »Hitler-Jugend« singen, Wehrsportübungen und Treffen im damaligen Nazi-Zentrum »Heide-Heim e. V.« in Hetendorf mitmachen. Das erzählte im Februar 2012 Schiedewitz frühere Ehefrau den Medien.

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Jürgen Rieger in Hetendorf 1996 bedroht Journalisten mit einer Axt. © Mark Mühlhaus / attenzione

Zwischen 2005 und Ende 2009 unterhielt der als gemeinnützig anerkannte Verein im Sächsischen Borna Räume (s. drr Nr. 114). Als die dortige Immobilie verkauft wurde, überwies die Eigentümerin Gisela Limmer aus »dem Verkaufserlös (…) dem Verein Geda?chtnissta?tte als Tra?ger der Gedenksta?tte 220.000,- Euro«, wie die JF berichtete. Offenbar das Startkapital für Guthmannshausen. Mitglied des Vereins »Gedächtnisstätte« ist auch das in Bad Bevensen (Niedersachsen) ansässige extrem rechte »Freundschafts- und Hilfswerk Ost e.V.«.

Ersatzorganisation?
Guthmannshausen hat sich zu einem bundesweit genutzten Veranstaltungsort für GeschichtsrevisionistInnen, Holocaust-LeugnerInnen und völkische Neonazis entwickelt. Nach dem Verbot der Vereine »Collegium Humanum« und »Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten« (VRBHV) von Haverbeck-Wetzel dient der Verein »Gedächtnisstätte« heute möglicherweise zur Fortführung deren Arbeit. Der Auftritt der Nazi-Aktivistin bei der ersten Veranstaltung in Guthmannshausen spricht dafür.