»Interessantes zu Büchern«

von Ernst Kovahl
Antifa-Magazin »der rechte rand« Ausgabe 189 - März | April 2021

#Erosionen

Wie die »Neue Rechte« durch Konservative immer weiter salonfähig gemacht wird.

antifa Magazin der rechte rand
Buch über das “Institut für Staatspolitik” und die Faschist*innen des 21. Jahrhunderts
erschien 2020 und ist im Buchhandel erhältlich.

Sie verstehen es einfach nicht. Noch immer glauben deutsche Konservative, man könne die radikale Rechte durch das Einbinden in politische Diskurse bekämpfen. Ihr Glaube, es genüge schon, ihre vermeintlich »bessere« Position und Haltung auf gemeinsamen Podien oder im Internet diskursiv der »Neuen Rechten« entgegen zu stellen, überzeuge die andere Seite schon vom Guten und Schönen, ist nicht einmal mehr naiv, sondern nur noch fahrlässig. Vor zwei, drei Jahren hieß diese Strategie »Mit Rechten reden«. Ihre Wirkungslosigkeit – vielmehr: ihre Wirkung ins Gegenteil – ist inzwischen ausreichend belegt. Statt die radikale Rechte zu schwächen, stärkt jede Einladung auf ein Podium, jede öffentliche Debatte mit Demokrat*innen, jede Erweiterung ihrer Reichweite und jeder Versuch, sie im Diskurs mit ihren hervorgehobenen Vertreter*innen zu stellen, ihre Positionen. Die Bücher aus ihren Kleinstverlagen erhalten so unverdiente Bekanntheit. Ihre randständigen Thesen finden Eingang in die Debatten und die Videos mit ihren völkischen und antidemokratischen Autor*innen werden im Internet vielfach geteilt. So funktioniert die Arbeit der »Neuen Rechten« im vorpolitischen Raum, so funktioniert der Kampf um Hegemonie in den Schützengräben der Zivilgesellschaft.

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Patrick Bahners ist eine »Edelfeder« des konservativen Feuilletons. Der Kulturredakteur der großbürgerlichen, konservativen Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) war 2011 mit seinem Buch »Die Panikmacher. Die deutsche Angst vor dem Islam« auch einer breiteren Öffentlichkeit aufgefallen. In dieser Streitschrift positionierte er sich gegen islamfeindliche Einstellungen und provozierte damit die radikale Rechte. Über sich selbst schreibt er, er sei Antifaschist und sein »Interesse an den Gedanken der heutigen Neofaschisten« gelte »ausschließlich der Vereitelung ihrer Projekte«. Dennoch verlinkte er am 26. Januar 2021 auf seinem Twitter-Account einen Artikel von Ellen Kositza von der Website der neu-rechten Zeitschrift »Sezession« über den neuen Roman »Krass« des in der Rechten beliebten Autoren Martin Mosebach. Bahners kommentierte, ihr Text sei »eine kluge und gehaltvolle Besprechung«. Kositza, das weiß auch Bahners, ist nicht irgendwer. Sie ist neben Götz Kubitschek die zentrale Akteurin des neu-rechten »Instituts für Staatspolitik«, eine überzeugte Ideologin. Ihre Positionierung hat Gewicht.
Gegen die zahlreiche Kritik auf Twitter verteidigte sich Bahners und wertete das Blatt zu einem legitimen Teil der öffentlichen Debatte auf: »Es finden dort rechtsintellektuelle Debatten statt wie linksintellektuelle Debatten in linksintellektuellen Zeitschriften.« Und er ging noch weiter bei seiner Verteidigung der Zeitschrift »Sezession«: »Meine Meinung: Lass sie ruhig ihre Reichweite haben, ihre Argumente unter die Leute bringen. Dann wird man sehen, wen sie überzeugen.« Zwar kritisierte er auch in dieser Debatte wiederholt die Inhalte und die politische Ausrichtung von Autorin, Institut und Zeitschrift, verteidigte aber immer wieder die Präsenz letztlich faschistischer Positionen in der Gesellschaft. So bezeichnete er das »Aussperren« rechter Verlage von den Buchmessen und das »Verbannen« rechter Bücher aus Buchhandlungen als »illiberale Mittel«, mit denen »nichts zu gewinnen« sei. Die Strategie der »Neuen Rechten«, wie sie die Festungen und Kasematten der Gesellschaft erobern will, hat er nicht verstanden. Allen Ernstes fragte er: »Warum sollen Extremisten nicht Interessantes zu Büchern sagen können?«


Neu ist das alles nicht. Immer wieder fanden Autor*innen der »Neuen Rechte« und ihre Thesen bereitwillig Platz auf den Seiten der FAZ, immer wieder wurden ihre Bücher positiv besprochen. Immer wieder mäandern Mitarbeiter – es sind eigentlich immer Männer – des Blattes zwischen den politischen und publizistischen Milieus von Neoliberalen, Konservativen und der »Neuen Rechten«, zum Beispiel der frühere Leiter des Ressorts Geisteswissenschaften der FAZ Lorenz Jäger, der aktuell in dem neu-rechten Coffeetable-Magazin »Cato« publiziert, oder ihr London-Korrespondent Philip Plickert, der selbst in der »Sezession« und der Wochenzeitung »Junge Freiheit« veröffentlichte.
Was bleibt? Fast nichts. Der Reputation von Patrick Bahners hat seine Empfehlung des Textes aus der »Sezession« nicht geschadet, eine kritische Debatte in seiner Zeitung wurde nicht erkennbar. Der Vorgang ist somit nur ein weiterer Baustein bei der Normalisierung der Rechten, nur ein weiterer kleiner Tabu-Bruch, ein weiterer Twitter-Sturm und irgendwann einmal nur eine weitere Fußnote in einer Studie über den scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der radikalen Rechten. Die »Erosion der Abgrenzung«, vor der Anfang der 1990er Jahre der damalige CDU-Spitzenpolitiker Friedbert Pflüger warnte, schreitet voran. Das antidemokratische und völkische Denken der »Neuen Rechte« sickert in die Debatten und die Politik. Es wäre ein Leichtes, ihr das zu verweigern. Doch es sind Konservative und Bürgerliche, die ihr die politischen Landgewinne in der Gesellschaft erst ermöglichen. Wieder einmal.