Fanzines – vom Aussterben bedroht

von Jan Raabe
Magazin "der rechte rand" Ausgabe 172 - Mai / Juni 2018

#RechtsRock

In den 1990er Jahren waren sie das Kommunikationsmedium der boomenden neonazistischen Skinhead-Szene, die »Fanzines«. Heute ist nicht mal eine Handvoll von ihnen übrig geblieben, welche die Szene über die neuesten Entwicklungen informieren und diese reflektieren.

Magazin der rechte rand

© apabiz

Der Begriff der »Fanzines« setzt sich zusammen aus »Fan« für die AnhängerInnen einer Jugendkultur und »Zine« als Teil von »Magazine«. Gemeint sind damit Magazine, die, aus der Szene heraus, »von der Szene – für die Szene« produziert wurden und werden. In anderen Jugend- und Musikkulturen, wie zum Beispiel dem Punk, haben Fanzines eine lange Tradition. Im Gegensatz zu den Musikzeitungen werden sie eben nicht von professionellen JournalistInnen erstellt, sondern von Laien. Und diesen geht es im Allgemeinen auch nicht um den Kommerz, sondern darum, einen Beitrag für die Szene oder die Bewegung zu leisten und sich mit diesem natürlich auch selbst zu präsentieren. Der Inhalt des Fanzines stellt oftmals einen Teil der Lebens- und Erlebniswelt und des Szenezusammenhangs der He­rausgeberInnen beziehungsweise der AutorInnen dar, aber nicht die Sichtweise einer Organisation oder Partei.

Aus der RechtsRock-Szene
Die Fanzines aus der RechtsRock-Szene bildeten da keine Ausnahme. In ihnen war zu lesen, wer sich alles beim Konzert getroffen hat, wer in die Ecke gekotzt hat und wie der Beziehungsstatus diverser SzenegängerInnen gerade ist. Das Ganze eingebettet in Konzertberichte, Band-Interviews, LP- und CD-Reviews und auch mal ideologieschwangere Artikel, wobei die Ideologie eher Bestandteil des Gesamtwerkes ist, sich also in den Konzertberichten und Bandinterviews wiederfindet. Gemeint sind hier Artikel über »Helden« des Nationalsozialismus, die »Artreligion« oder Parteien wie die NPD. Fanzine-MacherInnen genossen in der Szene ein hohes Ansehen, hatten Zugang zu den Stars der Szene und waren als WerbeträgerInnen gern gesehen.

Vom Schnippellayout zum Hochglanz
Ab Mitte der 1990er Jahre erschienen immer mehr Fanzines, die ideologisch der extremen Rechten beziehungsweise dem Neonazismus und jugendkulturell der Skinhead-Szene zuzuordnen waren. Die kopierten Hefte, bekannt sind nach wie vor Publikationen wie »Proissens Gloria«, »Schlachtruf« oder »Volkstroie«, hatten eine Auflage von wenigen hundert Exemplaren. Nur wenige Zines, wie zum Beispiel das »Foier Frei« aus Chemnitz, das zwischen 1994 und 2005 in immerhin 20 Ausgaben erschien, erreichten später vereinzelt eine Auflage von über 1.000 Exemplaren. 1996 erschien die erste Ausgabe des Hochglanzmagazins »Rock Nord«. Es war der erste Versuch, aus einem Fanzine heraus eine Musikzeitschrift zu entwickeln. In Neonazi-Kreisen wurde das Blatt, hinter dem der Düsseldorfer Thorsten Lemmer stand, als »Szene Bravo« verhöhnt. Dafür mögen nicht nur die Inhalte ursächlich gewesen sein, sondern auch der Habitus von Lemmer, der lieber Rotwein statt Bier trank und mit der Skinhead-Szene nichts zu tun hatte. Immerhin erschien das Blatt, wenn auch sehr unregelmäßig, bis 2007. In den letzten Jahren wurden statt der Monatsausgaben vermehrt nur noch Doppel- und Dreifachnummern produziert. »Rock Nord« brachte es somit auf circa vier bis fünf Ausgaben im Jahr. Ein anderes Hochglanzblatt versuchte sich ab 2005 zu etablieren. Malte Redeker, lange Zeit der Kopf der deutschen »Hammerskins«, versuchte sich mit der Publikation »Nordwind«, von der bis 2007 insgesamt acht Ausgaben erschienen sind.

Das lange Sterben
In den 2000er Jahren stellten immer mehr Zines ihr Erscheinen ein. Die Kommunikation der Szene verlagerte sich zunehmend ins Internet. Im »Thiazi-Forum« wurden tausende von UserInnen als AutorInnen aktiv. Durch ihre Beiträge sorgten sie dafür, dass Konzertberichte kursierten, Liedtexte präsent waren. Sie übernahmen damit die Funktion, die bisher die Fanzines erfüllt hatten. 2012 gingen staatliche Stellen gegen das »Thiazi-Forum« vor und veranlassten die Löschung der Daten. Damit stand das größte Forum mit mehr als 20.000 UserInnen der Szene nicht mehr zur Verfügung. Zwar entstanden weitere Foren und mit dem RAC-Forum (»Rock against Communism«) besteht bis heute ein solches, doch auch die Foren verloren zunehmend an Bedeutung. Teilweise aus Angst vor Repression, vor allem jedoch, weil die UserInnen sich anderen Kommunikationsformen zuwandten, in erster Linie Facebook, später auch VK und Instagram. Allerdings kann festgestellt werden, dass die dortigen Beiträge schon allein weder von der Länge noch vom Inhalt her mit jenen in den Fanzines zu vergleichen sind. Zwar werden Unmengen von Bildern gepostet, von Konzerten erfährt man allerdings nur noch, dass sie stattgefunden haben oder dass die Bands sich beim »tollen Publikum« bedanken. Es fehlen die ungefilterten Beschreibungen, die das Lebensgefühl der Szene transportieren und über diese hinaus eine Anziehungskraft entwickeln.

Die letzten Überlebenden
Bundesweit existieren heute kaum noch extrem rechte Skinhead- oder RechtsRock-Fanzines. Die wenigen, die noch erscheinen, entsprechen eher dem DIY-Gedanken (»Do it yourself«) als dem des Hochglanzmagazins, auch wenn sie heute nahezu alle gedruckt und mit farbigem Cover erscheinen. Auch hat sich die Vertriebsart verändert, viele der Zines müssen nicht mehr direkt bei den MacherInnen bezogen werden, sondern können über diverse Versandhandel geordert werden. Während es in der RechtsRock-Szene – wie auch im Mainstream – eine starke Retro-Bewegung beim Vinyl gibt, ist das bei den Zines so nicht festzustellen. Dabei könnte doch auch hier das haptische Moment, das Greifbare, in der digitalen Welt faszinieren, vor allem vor dem Hintergrund der Informationstiefe. Tut es aber scheinbar nicht. Die Ausgaben der verbliebenen Zines erscheinen in kleinen Auflagen und selbst diese sind meist nicht vergriffen. Auch inhaltlich unterscheiden sich die Letzten ihrer Art teilweise erheblich von denen der 1990er und 2000er Jahre. Als das letzte Fanzine mit Kontinuität ist »Der Bewährungshelfer« zu nennen. Das Blatt, von dem seit 1992 immerhin 26 Ausgaben erschienen sind, im Schnitt eine pro Jahr, ist mit 100 Seiten inzwischen jedoch eher ein Jahrbuch denn ein schnelllebiges Zine. Die aktuelle Ausgabe ist mit exklusiver EP und CD ausgestattet. Ebenfalls zu den alten Blättern gehört das von Maik Hagen herausgegebene »Meinungsfreiheit«. Dieses hat sich zu einem Skinhead-Fanzine gewandelt und ist heute nicht mehr zu den extrem rechten Zines zu zählen; es finden sich darin nur noch sehr bedingt extrem rechte Einsprengsel.

Neugründungen
Ebenfalls dem Skinhead-Kult hat sich das aus Sachsen kommende »Viva Sachsonia« verschrieben. »Es sind keine Skinhead unrelevanten Themen drin, keine Militariabeiträge und keine Soldatengeschichten« schreibt »Göring«, der Herausgeber im Vorwort der aktuellen Ausgabe. Politisch ist das Zine eindeutig der extremen Rechten zuzuordnen. Auf ganze fünf Ausgaben brachte es das Heft seit 2008. Das aktuelle erschien als »Sonderausgabe« als Teil einer Holzbox mit einer Split-CD der neonazistischen Skinheadband »Smart Violence«, »Overdressed« und »MPU«. Die Box war ein Sammlerstück und auf 299 Exemplare limitiert. Abgesehen davon, dass das Heft mit dem Computer erzeugt wurde, gleicht »Viva Sachsonia« mit seinen Interviews, den Konzertberichten, den Platten-Reviews und dem Fokus auf den Skinhead-Kult den Heften der 1990er Jahre.
2015 erschien die erste Ausgabe des aus Hannover stammenden »Paranoia«. Bisher sind insgesamt sechs Ausgaben veröffentlicht worden. Damit gehört es zu den »älteren« der neugegründeten ­Zines. Das »Paranoia« steht deutlich in der Tradition des Punk und des Schnippel-Layouts, auch wenn dieses heute mit dem Computer entworfen wird. Inhaltlich liefert es eine Mischung aus Rassismus, RechtsRock und sich als unpolitisch verstehendem Oi-Punk.
Newcomer der Fanzine-Landschaft ist das »Spektakuleer«, dessen erste von bisher zwei Ausgaben 2017 erschien. Das Blatt aus dem bayrischen Rosenbach setzt sich inhaltlich jedoch etwas von den klassischen Zines ab. Fast 15 Seiten umfasst ein Bericht über eine Tour mit Konzertbesuchen nach Japan, einer über eine Reise zum Konzert der italienischen Band »Bronson« nach Buenos Aires füllt ganze 11 Seiten. Abgesehen davon, dass sich kaum ein Szenegänger der 1990er und 2000er Jahre zwei Fernreisen hätte leisten können, wird hier nicht nur über Saufen und Musik geschrieben, sondern viel über Kultur. Trotzdem ist das Heft ideologisch der extremen Rechten zuzuordnen.

Eine Leerstelle
Die Anzahl und die Bedeutung der Fanzines in der extrem rechten Skinhead- und Musik-Szene haben in den letzten Jahren stark abgenommen. Auf den ersten Blick scheint das Internet deren Funktion übernommen zu haben. Bei einem genaueren Blick stellt man allerdings fest: Es existieren aktuell keine Plattformen, welche die Funktion der Fanzines in Gänze übernommen haben. Die Fanzines stellen szeneinterne Plattformen dar, die größten Teile des Internets sind öffentlich. Gerade der Austausch über Konzerte und Veranstaltungen findet kaum noch statt. Auf Facebook werden nach Konzerten zwar Fotos und die üblichen Danksagungen an Veranstaltende, Publikum und auftretende Bands gepostet. Die ausführlichen, sozialen Kitt produzierenden, persönlichen Berichte finden sich aber kaum mehr. Während in anderen Jugendkulturen sich entweder professionelle Publikationen entwickelt haben oder weiterhin Fanzines produziert werden, scheint die extreme Rechte hier den Anschluss verpasst zu haben. Vielleicht ist inzwischen die Produktion für die MacherInnen zu aufwendig, der Nutzen im Verhältnis zur geringen Nachfrage zu gering. Angesichts des Booms von exklusiven Sammel-Editionen bei den Tonträgern verwundert es, dass Fanzines in der extremen Rechten kaum noch eine Basis haben.